(Mohrenstrasse – darf ich dieses Wort überhaupt noch hinschreiben?
Die gerichtliche Entscheidung ist da:
Die Klage von Anwohnern gegen die Umbenennung wurde vom Gericht aus verwaltungsrechtlichen Gründen zurückgewiesen. „Der Bezirk sei zuständig für die Straßennamen, das ergebe sich aus dem Straßengesetz“ (Zitiert nach t-online, 7.7.23).
„Die Kläger hatten bemängelt, dass das Bezirksamt sie nicht ausreichend an dem Verfahren beteiligt habe“ (ebenda).
Der Vertreter des Bezirksamtes „hat erklärt,“die Prinzipien der repräsentativen Demokratie seien alle eingehalten worden“ (Berliner Zeitung 7.7.23) Der Richter stellte fest: Die Anwohner „hätten Beschwerden eingereicht, der Bezirk habe sie abgelehnt.“ Rechtlich sei das eine Form der Beteiligung (rbb24.de 6.7.23).
Die historischen und politischen Fragen, so der Richter, hätten bei der Entscheidung keine Rolle gespielt: „Bei Straßennamen,“ so der Richter, sei „das öffentliche Interesse wichtiger als die Anliegen privater Personen“( t-online 7.7.23).
Welches öffentliche Interesse meint er?
Der Richter Peters lässt uns wissen:
„Andererseits gebe es einen sprachlichen Wandel in weiten Teilen der Gesellschaft, der „Ausdruck der Änderung des Zeitgefühls sei“ (rbb24.de 6.7.23)
Ist das, was die Verwaltung im Auftrage der politischen Auftraggeber einfach umsetzt, das öffentliche Interesse? Und sind Bürger dieses Staates, die etwas nicht akzeptieren, was er macht, nur noch irgendwelche uninteressanten privaten Personen? Immerhin waren die BürgerInnen, die sich aktiv für die Umbenennung einsetzten, keine privaten Personen, sondern zivilgesellschaftliche, richtunggebende Aktivisten….
Im Sender MDR Kultur höre ich heute früh bei Frühstück diese Meldung ein zweites Mal.
Und obwohl spätestens, seit der Journalist Götz Aly darüber informiert hat, dass die Straßennamensgebung vor 300 Jahren keineswegs rassistische, sondern vielmehr wertschätzend gemeint war, und obwohl sich das Gericht geschickt aus der Affäre gezogen hat und inhaltlich nichts dazu äußerte, wird die nun beschlossene Umbenennung vorbehaltlos begrüßt. Es folgt ein langer, detaillierter Bericht über eine „zufällig“ in der Mohrenstraße gestern stattgefundene künstlerische Inszenierung, in der die Umbenennung und wokes Gedankengut gefeiert und umjubelt werden.
Während ich diese farbenfrohe, hoch emotionale und symbolisch aufgeladene Schilderung höre, steigen merkwürdige Assoziationen in mir auf. Geht es hier um die Anbetung neuer Götter? Handelt es sich um eine religiöse Feier?
Warum werden diese ideologischen Vorstellungen mit dieser religiösen Inbrunst vorgetragen und vorgeführt? Man bekommt den Eindruck, dass hier verkündet wird: „Nur die fremden Kulturen sind es wert, geschätzt zu werden. Wir stehen in Demut und mit großen Schuldgefühlen vor ihnen.“
Aber es ist doch ganz anders:
Die Woke-Bewegung selbst hat für mich arrogante und besserwisserische Züge, von Demut keine Spur: Man denke nur an den Ausrutscher unserer Außenministerin, die an den afrikanischen Staat Nigeria die von Engländern geraubten und in Deutschland gelandeten Bronze-Statuen zurückgibt, der sie dann an die eigentlichen Privat-Besitzer weitergibt, Oba von Benim, König Ewuare II, der Vertreter für den früheren afrikanischen Staat Benim, der selbst maßgeblich Sklavenhandel betrieb (vgl. Wikipedia 7.7.23 „Das Königreich entwickelte sich (neben der Goldküste und der Bucht von Biafra zu einem der Hauptzentren des Sklavenhandels mit den Europäern. Reiche wie Benin (aber auch Dahomey) entwickelten sich zu Sklavenumschlagplätzen zwischen den inneren Gebieten Afrikas und den Sklavenmärkten an der Küste. Man schätzt heute, dass im Zuge des Sklavenhandels insgesamt 13 Millionen Menschen allein von den Küsten Westafrikas deportiert wurden, wovon ein nicht unbedeutender Teil auf Benin entfällt. Handelsnotizen zufolge wurden aus diesem Gebiet im 18. Jahrhundert jährlich etwa 35.000 Sklaven verschifft. Wichtige Direktabnehmer waren Portugiesen, Briten, Niederländer, Spanier und Franzosen“.
Offensichtlich wissen wir besser als die Betroffenen, welche Schmach wir ihnen angetan haben und wer dabei mitgewirkt hat und wer nicht.
Vielleicht sollte man Aussagen über und Beurteilung des erlittenen Unrechtes lieber den Betroffenen selbst überlassen und dann auf Augenhöhe ihre Vorwürfe entgegennehmen und in ihrem Sinn das Geschehene wiedergutmachen.
Noch wichtiger aber wäre, die Augen für das zu öffnen und das anzuklagen, was heute passiert – und scheinbar niemanden innerhalb dieser Bewegung stört:
Ich empfinde die inszenierte Demut und Selbstbezichtigung, die mit dem Feiern der fremden Kulturen einhergeht, nicht nur als selbstzerstörerisch (mir kommt es vor, wie die im Mittelalter bestehende Tradition der „Büßer“ sich selbst zu geißeln und dabei offenbar Gefallen und Befriedigung zu finden), sondern auch hin hohem Maße verlogen.
Warum sehen die AnhängerInnen der Woke-Bewegung wie die gebannten Kaninchen auf die kolonialen Verfehlungen der westlichen Welt von 300 Jahren?
Wollen sie sich und alle anderen damit von den arroganten und menschenfeindlichen, neokolonialistischen Tendenzen der gegenwärtigen westlichen Welt gegenüber den sogenannten Dritte Welt Ländern ablenken?
Oder wissen sie gar nicht, oder wollen sie einfach lieber nicht wissen,
- dass die westliche Welt mit ihrer Wirtschaft und Politik maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Menschen zum Beispiel ihre afrikanische Heimat verlassen möchten (müssen), weil sie dort keine Zukunft für sich sehen?
- dass die westliche Welt mit ihrem neoliberalen, globalen Kapitalismus und ihrer verlogenen Entwicklungshilfe in den letzten 50 Jahren die Lebensgrundlagen dieser Länder weitgehend zerstört haben?
- dass der aktuelle Ruf nach mehr hochausgebildeten MigrantInnen für unser Land nichts ist als eine Kolonialisierung der wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten dieser Länder, die ihre besten Leute an den Westen abtreten (müssen).