Segelschiffprojekte

Seit vielen Jahren fährt die Fridtjof Nansen als 3mastiges Selgelschiff durch die Meere, vornehmlich die Ostsee, aber auch weiter, bis in die Karibik, nach Amerika.

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2004 wurde auf diesem Schiff die Fernsehserie „Windstärke 8“ gedreht, eine historische Auswandererüberfahrt nach New York, ein ernstzunehmendes Abenteuer und Projekt für eine Mannschaft, ein Filmteam und etwa 20 Passagiere, die sich als „Auswanderer“ zur Teilnahme bereit erklärt hatten. Ein Bildband, der mir, der Mutter der derzeitigen Praktikantin, ausgehändigt wird, kostet nur 5 Euro und ist mit Stempel und Autogramm des heutigen Crew-Mitgliedes Jörg versehen, der damals als Steuermann mitgefahren ist. Es erzählt in wunderschönen Bildern und interessanten Texten von diesem Erlebnis.

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Derzeit fährt das Schiff jeden Sommer wochenweise mit Gästen auf der Ostsee, oft sind es ganze Schulklassen, die sich verpflichten müssen, selber mit Hand an zu legen. Die Crew besteht aus lauter ehrenamtlichen Leuten, ehemalige Gäste, die „hängen geblieben sind“ und immer wieder ihren Sommerurlaub auf der Fridtjof Nansen verbringen, echte Seeleute, die sonst auf riesigen Frachtern fahren und hier zu den Anfängen ihres Berufes zurückfinden und auch Menschen mit ganz normalen Berufen, die das Jahr über an ihrem Schreibtisch auf die paar Wochen warten, in denen sie wieder die große Freiheit erleben können: zwischen Wasser und Himmel in der Takelage zu hängen, von Windstärke und Windrichtung abhängig zu sein, bei jedem Wetter aufs Deck zu müssen, sich manchmal vor Nässe und Kälte und von der anstrengenden Arbeit völlig kaputt zu fühlen, bei der Wache mit dem Sternenhimmel alleine zu sein und nachts wie ein Stein zu schlafen…
Wenn ich meiner Tochter so zuhöre, die nun seit 4 Wochen dabei ist, kann ich nur staunen: Sie hat erstaunlich viel gelernt über die Notwendigkeit, sich auf den anderen verlassen zu können, über Genauigkeit und Gründlichkeit, über das Miteinander auf so einem engen Raum, über ihre Grenzen und Schwächen und über ihre Fähigkeiten, in harten Situationen, die Ohren steif zu halten. Ich höre ihre empärte Beschwerde über einen der Gästejugendlichen, der nicht bereit war, in der Küche abzuwaschen und nach sich die Küche aufzuräumen und denke schmunzelnd an manchen Sonntag Nachmittag, als ganz dicke Luft bei uns war, weil unsere Jüngste ihr Zimmer aufräumen sollte und dieses nicht wollte…
Ich frage mich: Ist das jetzt einfach das Erwachsensein oder kann diese eingeschworene Gemeinschaft tatsächlich Erkenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die sich unserem Nachwuchs in einer Welt, wo sonst alles vorgefertigt oder automaitisert ist, einfach sonst nicht mehr vermitteln.
An den bekannten Segelschiff-Projekten, die die Jugendhilfe (nach § 35 KJHG) einige Zeit sehr gerne mit Jugendlichen gemacht hat, „bei denen sonst nichts mehr zu helfen schien“ wurde oft kritisiert, dass es auf den Segelschiffen autoritär zu ginge und die Jugendlichen lernten zu gehorchen aber nicht, aus freiem Willen zu entscheiden.
Ich denke, was hier gelernt wird, ist weniger Gehorsam als die unmittelbare, sinnfällige und ganz exitentielle Einsicht in die Notwendigkeit zusammen zu arbeiten, auf den anderen zu achten, gemeinsam ein Ziel anzustreben und selber sein Bestes zu geben. Gehorsam wird hier zu einer einsehbaren Notwendigkeit um eines besseren Gelingens in eine gemeinsame Sache willen. Das ist ganz sicher etwas anderes als blinder Gehorsam um des Gehorsams willen.

Ich denke, seit ich die Crew gesehen habe, des öfteren an das Segelschiff und seine Besatzung zurück. Es muss für die Vereinsmitglieder so etwas wie eine Heimat sein, ein zu Hause, wo man jederzeit hingehen kann und auch immer willkommen ist, weil dringend zur Unterstützung gebraucht. Es ist ein Ort, wo man alte Freunde wieder treffen kann und immer auch wieder neue Leute kennen lernt. Und das Ganze ist eingebunden in ein großes, romantisches aber ganz handfestes Abenteuer, den Kampf mit Wind und Segeln, mit der Möglichkeit, zu reisen, neue Häfen anzufahren, seine Kräfte zu erproben und seine Fähigkeiten zu erweitern. Eine nachvollziehbare Leidenschaft!

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