Die guten Nazis und Frau Herman

Eine ganze Stunde habe ich heute vormittag nach dem Frühstück mit kranich über die Geschichte mit diskutiert. Was hat sie denn eigentlich Schlimmes gesagt? Ich bin sicher, dass viele das fragen werden.
Zweifelos bekam eine Frau im Faschismus mehr gesellschaftliche Anerkennung fürs Kinderkriegen als wir heute. Natürlich war das Kinderkriegen damals „lohnender“. Warum also hat sie unrecht?

  • Weil man eben nicht einzelne Aspekte herausholen kann und sie vom Gesamtzusammenhang der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Naziregims trennen kann,
  • Weil es falsch ist, den ganzen Faschismus und seine menschenverachtenden Taten der einen Figur Hitler in die Schuhe zu schieben und so zu tun, als seien alle anderen seine Opfer und als sei niemand hinter ihm gestanden: keine Partei, keine SA und SS, keine Bevölkerung und keine Großindustrie?
  • Weil es nur die sogenannten arischen Mütter gut hatten und ganz sicher nicht die Mütter von Judenkindern oder die Mütter, die behinderte KInder geboren hatten?
  • Weil sie Kinder in einer Gesellschaft großziehen mussten, die sie als Kanonenfutter für Angriffskriege brauchte und verheizte?
  • Weil die Kinder dieser Gesellschaft in einer Ideologie und für eine Zukunft großgezogen wurden, die menschenverachtend war und die das Leben von Millionen anderer Menschen bedrohte und zerstörte?

Die Tendenz zu sagen, „der Hitler war schlimm, aber immerhin hatte da jeder Arbeit, waren die Jugendlichen damals nicht auf der Straße usf., ist inzwischen in der deutschen Bevölkerung ziemlich verbreitet. Ich höre schon, wie viele Leute Frau Herman Recht geben und die Reaktion übertrieben finden. Die Leute nehmen einzelne Aspekte heraus und meinen, den Rest vernachlässigen zu können. Ebensogut könnte man aber sagen „Der Massenmörder X war zwar ein schlimmer Mörder, aber er liebte seine Kinder und war ihnen ein wirklich guter Vater, den wir uns zum Vorbild nehmen können“…

Auf diese Weise wird der Faschismus wieder hoffähig gemacht in unserer Gesellschaft. Zudem tun die Medien in den letzen Jahren das ihre, den Nationalsozialismus „nicht mher so verkrampft zu sehen“. Über Hitler darf endlich gelacht werden, die deutschen Opfer des selbstgemachten Krieges dürfen betrauert und beweint werden, der Alltag im sogenannten Dritten Reich war auch nur ein Alltag wie jeder andere….. Die Institutionen der Erziehung aber haben es offenbar versäumt, den Faschismus in seiner Gefährlichkeit begreifbar zu machen. Wir haben nur ein Tabu geschaffen: „Der Faschismus war schrecklich. Wer das bezweifelt ist selber einer .“ Und nun scheint es einigen wichtig, endlich dieses Tabu zu brechen. Ich muss an meine Tochter denken, die – offenbar geschädigt durch einen intensiven verordneten Antifaschismus in der Schule, der aber nicht zum Nachdenken und zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit dieser Zeit verholfen hat sondern nur ein diffuses und als ungerecht erlebtes Schuldgefühl einreden wollte – ärgerlich darüber war, dass der Klassenkamerad, der „Heil Hitler“ zur Lehrerin gesagt hatte, einfach von der Schule verwiesen wurde. Ethische Werte werden aber bewußt nur angeeignet, wenn man sie als selbst gewählte und selbst erarbeitete Werte für sich sehen kann. Ein Tabu verbietet genau das. Ein Tabu reizt – besonders die Jugend – dieses Tabu zu verletzen, ja es erscheint jungen Menschen als Fortschritt, die Tabus der Älteren infrage zu stellen.
„Endlich kann man in Deutschland mal wieder zugeben, dass man auf sein Land stolz ist!“ Wie viele haben das gesagt zur Zeit der WM.
Ich möchte den Deutschen den Stolz auf ihre (eingekauften) Fußballjungs nicht streitig machen. Stolz auf das eigene Land, seine Leistungen und seine Eigenarten ist etwas ganz anderes als rechte Ideologie. (Hierzu gibt es einen wunderbaren Text von Tucholsky: Heimat). In den meisten Ländern dieser Welt sind die Menschen stolz auf ihr Land und ihr Volk. Warum nur wirkt genau dieser Stolz bei den Deutschen so verdächtig? Vielleicht, weil sie bis heute nicht wirklich begriffen haben, dass es nicht einfach der Stolz auf das eigene Volk war, was die Verbrechen des Faschismus bewirkt hat sondern eine bestimmte Art von Stolz, eine, die andere nicht ihrerseits stolz sein lässt sondern den Anspruch erhebt, sie zu vernichten, zu unterdrücken und als Menschen 2. Klasse zu behandeln.
Solange also niemand wirklich begreift, was im Faschismus mit den Juden und vielen Christen, Sozialdemokraten und Kommunisten, mit Behinderten und Zigeunern, nit Homosexuellen geschehen ist, solange niemand kapiert, dass die faschistische Ideologie von der herrschenden Rasse und dem Herrschaftsanspruch der Deutschen in der Welt keine zu vernachlässigenden Größen sind , die man der persönlichen Pervertiertheit Hitlers zuschreiben kann oder bei der Betrachtung der nationalsozialistischen Gesellschaft einfach außer Acht lassen kann, solange kann eine Frau Herman und können die Ex-Klassenkameraden meiner Tochter weiter sagen: „Komm, so schlimm war das damals alles nicht, es gab auch viel Gutes, wir Deutschen sind gar nicht schlechter als die anderen. So schlimm kann das gar nicht gewesen sein“.

Doch das heißt dann, dem modernen Faschismus die Tür sperrangelweit aufreißen!

Tucholsky:“Es ist ja nicht wahr, daß jene, die sich „national“ nennen und nichts sind als bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache für sich gepachtet haben. Weder der Regierungsvertreter im Gehrock, noch der Oberstudienrat, noch die Herren und Damen des Stahlhelms allein sind Deutschland. Wir sind auch noch da.“

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Eine Antwort zu Die guten Nazis und Frau Herman

  1. eule70 sagt:

    Eine gute Analyse! Mir fällt spontan nichts zum Hinzufügen ein.

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