Praxisschock

Der alte Laden hat wieder angefangen … Gestern und heute 14 Studierende geprüft. Alle gehörten zu einer Gruppe von StudentInnen, die schon seit Jahren in der Sozialen Arbeit beruflich tätig sind. Prüfungsgegenstand war, ob sie in der Lage sind ihre Praxiserfahrungen wissenschaftlich und kritisch zu reflektieren.

Ich arbeite mit dieser Gruppe von Studierenden sehr gerne. Es sind schon erwachsene Menschen mit Lebenserfahrungen, oft mit Familien im Hintergrund und sie kommen in das Studium mit Ideen, Fragen und Problemen, die sie für sich klären möchten.

Unsere Prüfungsgespräche brachten auch für mich wieder neue Einblicke und erstaunliche Erkenntnisse in die real existierende Praxis der Sozialen Arbeit zu Zeiten der postschröderschen Ära…

 

  • 60% der Jugendlichen, die in U-Haft genommen werden, machen dort die Erfahrung sexueller Vergewaltigung …. Die meisten Jugendrichter halten dieU-Haft für jugendliche Straftäter trotzdem für ein Mittel zur Abschreckung und Belehrung….
  • MitarbeiterInnen eines Jugendamtes haben ihrer studierenden Kollegin unmissverständlich gesagt, sie solle und könne all das, was sie hier bei uns über den partizipativen Umgang mit unseren KlientInnen lerne, gleich vergessen. Das seien alte Kamellen aus den 90er Jahren und die Uhren würden inzwischen längst anders ticken…..
  • Eine Mitarbeiterin, die in einem Projekt arbeitet, in dem krebskranke Menschen psychologisch beraten und betreut werden, ist gekündigt worden, weil das Projekt nicht weiter finanziert wird,
  • Eine Mitarbeiterin in einem Heim für Jugendliche bedauert, dass die magersüchtigen Jugendlichen, die bei ihnen untergebracht werden, nicht intensiv genug betreut werden können bei dem bestehenden knappen Personalschlüssel und regelmäßig auf den Heimaufenthalt nicht die Entlassung ins Elternhaus oder in die Selbständigkeit sondern eine erneute Klinikeinweisung erfolgen muss …

Kein schöner Land zu unserer Zeit….. Da wäre eigentlich mal der nächste Streik fällig …

 

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Aber keine Angst, SozialpädagogInnen sind ja viel zu verantwortungsbewußt. Sie arbeiten auch noch unter Bedingungen, unter denen ihr Bemühen sich ins Gegenteil umkehrt. Denn schlecht ausgestattete Soziale Arbeit beweist nur ihre scheinbare Wirkungslosigkeit und trägt dazu bei, dass hier weiterhin rücksichtslos gestrichen wird.

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