Doris Lessing

Ein ganz persönlicher Freudentag für mich!

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Ich liebe diese Autorin seit Jahrzehnten und habe viele ihrer Bücher genossen.

Ihre klare und kompromisslose soziale und politische Haltung war für mich immer eine Genugtuung, vor allem aber deshalb, weil sie es vermochte, diese Haltungen nicht als Polemik oder literarisch verpackte Agitation zu verarbeiten, sondern in Romane zu integrieren, die hochsensibel und mit psychologischem Realismus Menschen, ihre Entwicklung, ihre Nöte und Hoffnungen gestalteten.
Diese Verbindung gelingt eher selten. Ich kenne eine Hand voll Romane, die hochpolitisch sind und dennoch durch und durch literarisch – und die sich von daher auch nicht instrumentalisieren lassen und ließen: mir fällt da eins meiner Liebslingsbücher ein „Unruhe um einen Friedfertigen“ (1947), von Oskar Maria Graf.
Die „Afrikanische Tragödie“ von Lessing  thematisiert z.B. die Rassenproblematik im Afrika der Jugendzeit von Doris Lessing auf eine Weise, wie sie so differenziert, so lebendig und so erschütternd niemals in irgend einem politischen Text begriffen und formuliert worden sein dürfte. Und Doris Lessing hat, als sie merkte, dass ihr Buch durch eine Verfilmung genau diese Qualität einbüßen würde, die Filmrechte daran verweigert (nach zu lesen im 2. Teil ihrer Autobiografie).

Besonders beeindruckend für mich sind bei Doris Lessing außerdem die Entwicklungen und die Erneuerungen, die sie in ihrem Werk im Verlaufe ihres langen Lebens vollzogen, mitvollzogen und bei denen sie gegengehalten hat.
Manches war für mich sogar „zu früh“ und noch unverdaulich, als es erschien. Der Roman  „Memoirs of a Survivor“ z.B. hat mir vor 25 Jahren, als ich kleine Kinder hatte und ich die Vorstellung kanibalisierender kleiner 5Jähriger nicht ertragen konnte, Angst gemacht. Später habe ich ihn mit großem Staunen und mit Faszination gelesen.

Als ich gestern über die A9 brauste und die ganze Zeit über Radio hören konnte, kam ich in den zweifelhaften Genuss mehrerer Stellungnahmen von LiteraturwissenschaftlerInnen zum Nobelpreis für Doris L. Viele davon waren für mich o.k. und angemessen.
Eine junge Frau äußerte sich verblüfft und enttäuscht, dass man den Nobelpreis jemand gäbe, der so von gestern sei. Doris Lessing, meinte sie, hätte ihn um 1973 herum verdient. (Damit mag sie Recht haben!) Ihre moralische Art sei heute nicht mehr in, Rassismus, Feminismus, Eintreten für die Unterdrückten, das seien heute nicht mehr die literarischen Themen. Und seit dieser ihrer großen Zeit hätte Doris Lessing sich nicht weiter entwickelt und hätte zum Heute nichts zu sagen.
Der Meinung bin ich nicht. Zweifellos heißt sie nicht Houellebecq aber der oben von mir erwähnte Roman z.B. ist für mich mit jedem Jahr, den ich in dieser heutigen Gesellschaft lebe, wirklicher geworden.

Ich gratuliere mit voller Kraft und freue mich, dass diese Autorin in meiner jetztigen Gegenwart noch so eine Würdigung erfahren hat.

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