Jena
Zwischen Mozartklängen und Debussi überrascht mich in MDR Kultur ein Interview mit einem Wiener Soziologie-Professor, der sich darüber auslässt, dass unsere Gesellschaft sich zu wenig Gedanken macht über die Definition von Reichtum. Herr Thomas setzt zum Überleben unserer Gesellschaft auf die Reichen, Vermögenden, die ihren Reichtum für die Gesellschaft produktiv machen, die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zeigen. Es sind die Vermögenden in unserer Gesellschaft, die die Schere zwischen Arm und Reich schließen können, sagt er. Ich spitze die Ohren.
Es gibt Reiche, so höre ich beeindruckt, die einfach nur für sich ihren Reichtum nutzen und behalten. Aber es gibt auch Vermögende, die ihren Reichtum für die Gesellschaft produktiv nutzen. Die Gegenüberstellung des Fußballstars mit der Beamtenwitwe, die kiloweise Plätzchen für Migrantenkinder bäckt, ist ja noch amüsant. Die Differenzierung zwischen den Managern mit den Spitzengehältern und den Unternehmern, die aus sozialer Verantwortung heraus Stiftungen unterstützen und soziale Projekte, alarmiert mich. Und dann kommt es so ganz nebenbei: Die Unternehmer, die für andere Arbeitsplätze bereitstellen, das z. B. sind unsere Wohltäter.
Aber ja, natürlich, wie könnte man in so einer Lesart unserer Gesellschaft als Arbeitnehmer etwas fordern von dem, der mir freundlicherweise einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Wie könnte man so unverschämt sein, diese Wohltat von ihm zu fordern oder unzufrieden sein mit dem, was er freiwillig und bereitwillig hergibt? Wie könnte man das Recht ableiten, zu streiken, mitbestimmen zu wollen? Man darf die gebende Hand nicht schlagen. Ist es nicht so?
Der philanthropische Unternehmer als Retter der Armen und der ganzen Gesellschaft. Und wir alle als Bittsteller und dankbare Empfänger von Gnade.
Mir kommt das merkwürdig bekannt vor. Gab es in feudalen Gesellschaften nicht auch gute und schlechte Herren, solche, die sich um ihre Untertanen kümmerten und solche, die sie verkommen ließen.
Ein Zitat fällt mir ein, dass ich letztes Semester in meiner Powerpoint Präsentation verwendet habe:
Eine Gesellschaft, in der die Bedürftigen ein Anrecht auf Unterstützung haben, ist grundsätzlich weniger entwürdigend als eine Gesellschaft, die auf Barmherzigkeit beruht (Margalith 1998, S. 276).
Entnommen wurde das Zitat dem Buch von Galuske, Flexible Soziale Arbeit, ein gutes Buch, das nicht nur für Sozialpädagogen deutlich macht, was die neoliberale Gesellschaftsphilosophie uns allen zumutet.