Jena, Uniklinik, nach dem Abendbrot
Dieser Roman hat mir einiges Vergnügen bereitet, weil er Menschen und Szenen mit einem Lächeln skizziert: manchmal mit einem liebevollen Lächeln, manchmal ironisch und und mitunter sogar mit einem bösen Lächeln.
Die Verschrobenheit der Hollywoodszenerie, die Oberflächlichkeit und Marktförmigkeit der Medienfabriken, den amerikansichen Wahn von der ewigen Jugend und der glatten Stirn, all das findet sich in Dörrie’s Buch scharf beobachtet und wird immer wieder auf den Punkt gebracht. Mitunter wird es einem davon sogar zuviel, zuviel american style, zuviel Verlogenheit, zuviel Karrierismus. Genauso eindringlich und unbarmherzig wird die Teenagerwelt der halbwüchsigen Töchter ans Licht gezerrt und sodass ich mich zwischendurch immmer wieder aufatmend vergewissern musste, dass ich in meinem derzeitigen Leben mit solchen Problemen nichts zu tun habe.
Zwischen all diesen krassen, oft leicht überzeichneten Figuren, Szenen und Welten gibt es dann aber noch Johanna, die eigentliche Heldin des Romans, die unspektakulärste Gestalt, die normalste vielleicht und auch diejenige, die am unbeschädigtsten aus den Kulissen dieser Inszenierung steigt. Mit dieser Frau gelingt Dörrie ein glaubwürdiges Porträit einer Frau um die 50, deren Entwicklung ich mit Interesse und Empathie verfolgen konnte.
Was mir nicht so gefallen hat: Die ganze komplizierte und verflochtene Geschichte wird von einem Grundthema zusammengehalten, dem Rigoletto-Thema des Vaters, der seine abgöttisch geliebte Tochter nicht verlieren möchte und versucht, den Mann mit dem Tode zu bestrafen, der sie ihm wegzunehmen droht…
Diese Geschichte wird im Roman nun ständig wiederholt und variiert, zweimal als Bühnenstück und vier oder fünf mal in der Geschichte selber. Das war mir etwas zu viel des Guten. Dadurch – und auch durch den Rückgriff auf Esoterik und den Kontakt mit Verstorbenen, der für die Story nicht erforderlich gewesen wäre -, wirkte der Roman insgesamt ziemlich konstruiert und überladen auf mich und hat die Freude an einzelnen Szenen und Detailschilderungen gedämpft.
Dennoch, das Buch bereitet einen angenehmen Tag, besonders wenn man wie ich tatenlos im Krankenhaus liegen musss und auf das wartet, was da kommen soll.
Dorie Dörrie: Und was wird aus mir. Zürich 2007