Simulationszentrum Warnemünde

Viel zu früh kamen wir an, weil wir schon um 5 Uhr losgefahren waren, um es trotz evtl. Staus (schließlich müssen wir durch Rostock und morgen ist die erste große Demonstration der G8-Gipfel-Gegner) rechtzeitig zur ersten „Schnuppervorlesung“ zu schaffen.

Mit einem strahlend blauen Junihimmel über uns standen wir schon eine Viertelstunde vor Eröffnung des Informationstages des Fachbereiches Nautik (Außenstelle der Fachhochschule Wismar) vor dem Simulationszentrum. Um uns herum mehrere wartende sehr junge Männer, die versuchten möglichst cool auszusehen, mitten darunter eine junge Frau, alle InteressentInnen für ein Studium der Fachhochschule Wismar, Außenstelle Nautik.
Die junge Frau, mit der ich ins Gespräch kam, war extra aus der Schweiz angereist, festentschlossen, hier in Warnemünde Nautik zu studieren. Auf einer 5monatigen Seereise auf einem Frachter ist in ihr die Erkenntnis gereift, dass dies der richtige Beruf für sie sein wird. Und in der Schweiz kann man keine Nautik studieren. Wen wundert es?
Als erstes lauschten wir Interessenten einem Seminar über Personalführung.
Ungewöhnlich aber hochinteressant für mich: das Erlebnis einer Lehrverantstltung aus dem Blickwinkel eines Studenten in der letzten Reihe!
Der Dozent war zunächst kaum verstehen in dem altmodischen, fast nostalgischen Seminarraum. Die angehenden Kapitäne wirkten ein wenig undiszipliniert und unruhig. Aber allmählich entspann sich doch so etwas wie ein Lehrgespräch zwischen dem Dozenten und der Gruppe und man konnte den Willen der Studierenden spüren, ihre zukünftige Aufgabe an Bord zu bewältigen. Langsam bekam man auch als Zuhörer eine Ahnung davon, was es bedeutet, auf einem großen Tanker leitender Schiffsoffizier zu sein.
Die Studenten sehen nicht sehr viel anders aus als die angehenden Sozialpädagogen bei mir in Jena. Manche kann man sich aber auch schon gut als alte Seebären vorstellen. Einer ist darunter, mit rotblondem Bart, der sieht aus, als wäre er aus einem Seeräuberfilm entsprungen.
Unter den Studenten sitzt ein einziges Mädchen. Sie wirkt selbstsicher und fröhlich und völlig integriert. Später lasse ich mir bestätigen, dass von 15 Studierenden der Nautik ca 4 wieblich sind. Und die Berufschancen sind ausgezeichnet, auch für Frauen. Alle Frauen, die der Fachbereich in den letzten Jahren ausgebildet hat, sind inzwischen als Schiffsoffizierinnen (zivile) auf hoher See.

Die Studienberatung durch Verwaltungskräfte und Studenten klärt meine Tochter noch über wichtige Fragen zum Studium auf. Am spannendsten ist für uns die Besichtigung eines der Wohnheimzimmer auf dem Campusgelände: 16qm, hell, praktisch und angenehm möbliert, sonnig…und zur Feier des Tages auch noch super aufgeräumt, und dazu ist es recht erschwinglich: 247 Euro alles inclusive, einschließlich Internet-Flatrate.
G. ist jetzt fast traurig, dass sie nicht gleich im Herbst anfangen kann, in Warnemünde zu studieren. Sie will ja erst noch 1 Jahr als aupair nach Irland.

Dann machen wir noch die Führung durch das Simulationszentrum mit: überall rote Lämpchen, Bildschirme und technische Daten in Fülle.

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Für den Laien aber sicher ambeeindruckendsten ist der Besuch auf der simulierten Schiffsbrücke. Wir stehen plötzcher hoch oben auf der Brücke eines Frachters, spüren den Seegang und die Vibration der Motoren. Es ist gerade 5.43 Uhr in der Früh, wir fahren mit dem ersten Tageslicht in den Rostocker Hafen ein. Auf uns zu kommt ein großes Schiff , kommt näher und dann gleitet langsam die Mecklenburg-Vorpommern ganz dicht backbord an uns vorbei. Die Bildschirme zeigen Radaraufnahmen und elektronische Karten vom Hafen und der Küstenregion. Dem Publikum wird erklärt, dass das Simulationszentrum 3 Funktionen erfüllt:
1. Unterstützung bei der Ausbildung der Studierenden
2. Angebot an fremde Reedereien, die Simulationstechnik zu nutzen ( Z.B. haben neulich Lotsen des Stockholmer Hafens in Warnemünde überprüft, ob die neuen Schiffe von AIDA, die ungewöhnlich lang sind, trotzdem sicher in ihre Hafenbecken zu manövrieren sind)
3. Forschung

Wir machen noch einen Bummel durch Warnemünde, berappen immerhin 9 Euro füs geparkte Auto und fahren erst einmal nach Lütten Klein, wo Kranichs Schwester mit Kaffee und Kuchen auf uns wartet.

Vom G8 Gipfel und den G8 Gegnern ist in Warnemünde und auch in Lütten Klein noch nichts zu spüren.

abends
Im Fernsehen wird berichtet, dass Rostock wegen der morgigen Demonstration so gut wie ausgestorben ist. Die Geschäftesleute haben ihre Schaufenster zunageln lassen, die Restaurants werden geschlossen sein. Es herrscht eine Stimmung, als würde morgen eine Sturmflut über Rostock hinwegjagen.
Immerhin wird in mehreren Sendungen auch über die Ziele der Globalisierungsgegner berichtet und es werden heranreisende Globalisierungsgegner vorgestellt, z.B. entschlossene, freundliche Leute aus der Schweiz (schon wieder die Schweiz!), die einfach nicht mehr länger schlucken wollen, wie mit dieser Welt umgesprungen wird. Wenn man diese Leute sieht und sie hört, muss man sich fragen, woher die Angst der Bevölkerung vor der Demonstration eigentlich stammt.

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