Das Gymnasium und der Rest

Wieder höre ich am frühen Morgen zwischen 5 und 6 Uhr Radio, während ich frühstücke und mir Gedanken mache, was ich heute im Garten so machen will….

Das Interview mit einem Bildungsforscher aus dem Dunstkreis der Agentur für Arbeit läuft. Der berichtet sachlich und fast ein wenig betroffen davon, dass etwa 10% der Bevölkerung für unseren Arbeitsmarkt nicht zu gebrauchen sind. Die offenen Stellen, die es zunehmend gibt im Rahmen des derzeitigen Aufschwungs, sind für die nicht zu haben. Gelassen spricht er es aus: 10% der Bevölkerung werden quasi abgeschrieben.

Wann endlich, denke ich böse, kommt ihr auf die Idee, dass es dann auch gesellschaftliche Verschwendung ist, diese 10% durch unser Schulsystem zu schleifen und sie mit Bildungsgütern zu belasten, die sie doch eigentlich gar nicht brauchen werden? Wann fängt der erste an, am Bildungsziel, Bildung für alle, zu kratzen? Wann kommt jemand, und erfindet die alte Volksschule wieder, die für diese Menschen dann nur die bescheidenen Bildungsgüter bereitstellt, die sie wirklich brauchen werden, z.B. wie man die Fernbedienung des Fernseher einschaltet. Wieviel Geld würde da der Staat einsparen können! Das könnte er dann in die Eliteschulen stecken, damit Deutschland endlich auch in der Bildung zur Elite gehört. Dann wäre Schluss mit dem kraftraubenden Versuch, solche Schüler in der Schule durchzuschleppen. Und zufriedener wären die dann auch, würden nicht ständig schlechte Noten haben, hätten keinen Leistungsdruck mehr und weniger Frust,würden endlich was lernen, was sie für ihr Leben gebrauchen könnten……

MDR Info hat jetzt ein neues Thema drauf. In Neuruppin hat die CDU sich für die Abschaffung der Hauptschule eingesetzt. Diese sei eine „Restschule“ und böte für die Schüler keinerlei Chancen.
Ich lausche gespannt. Also habe ich doch zu schlecht über unsere Politiker gedacht!?

Geschaffen werden soll eine sogenannte Stadtteilschule, höre ich weiter, die die Hauptschule, die Realschule und die Gesamtschule vereine. Dort könne man dann auch das Abitur machen. Ansonsten gäbe es nur noch das Gymnasium. Die CDU setze sich für ein zweigliedriges Schulsystem ein.

Na bitte, denke ich, also doch: Nicht ganz so ehrlich, aber genau das, was ich erwartet habe: Unsere Bildungseliten sind die eine Klasse und für sie bleibt erhalten, was es schon immer gab, das gute alte Gymnasium, eine Welt für sich sozusagen, eine Klasse für sich.
Und dann die neue „Restschule“ für all die anderen. Der eine oder die andere werden dort vielleicht sogar auch das Abi schaffen.

Die Realisierung der Gesamtschule als zweite Bildungslösung für die, die nicht so ganz helle sind, die aus einfacheren Verhältnissen kommen, für Migrantenkinder und für Kinder aus weniger bildungsnahen Familien, das gab es damals im Westen schon seit Erfindung der Gesamtschule. Und genau dieses Konzept hat die Gesamtschule diskreditiert und ihren ursprünglichen bildungspolitischen Grundgedanken kaputt gemacht.
In einer der großen Plattenbausiedlungen Jenas haben sich die Eltern und der Schulleiter des dortigen Gymnasiums lange mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass ihre Schule in eine Gesamtschule umgewandelt werden sollte. Die andere Schule, die zur Disposition stand, war ein traditionsreiches Gymnasium in der Innenstadt und seine Umwandlung stand nicht zur Debatte.
Natürlich hätte der Stadtteil von einer Gesamtschule mehr gehabt für die Jugendlichen, die es aufs Gymnasium bisher nicht geschafft hatten. Aber man sah die geplante Umwandlung vor allem als eine Abwertung und Diskriminierung der Schule an.
Und genau das ist sie auch, solange es daneben – für die anderen – weiter Gymnasien gibt.

Herr Munoz, Der UN Sonderberichterstatter, wusste, wovon er sprach:
http://www.zeit.de/2007/13/C-Bildungsbericht

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Eine Antwort zu Das Gymnasium und der Rest

  1. Julia sagt:

    Was wäre denn die Lösung, die sich aus diesem Dilemma ergibt? Ich bin mir selbst nicht so sicher, was schlagen sie vor? Soll man das Gymnasium abschaffen und stattdessen nur noch eine einzige Schulform für alle anbieten? Mfg, Julia

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