Gesponserte Bildung – gekaufte Wissenschaft

Gestern hat es also auch unseren Fachbereich erreicht:
Eine namenhafte Firma ist daran interessiert, uns zwei Lehraufträge zu bezahlen, wenn dafür ihr Logo deutlich und unübersehbar allen Teilnehmern der Veranstaltung kundgetan wird.
Noch hat sich unsere ProfessorInnengruppe nicht positioniert. Es handelt sich noch nicht um Lehrveranstaltungen, die unabdingbar laut Studienordnung durchgeführt werden müssen. Es geht mehr um die Frage, ob wir uns was Zusätzliches, „Buntes“ leisten können und wollen. Auch wir müssen uns ja schließlich gut verkaufen.
Freilich, solches Vorgehen ist in anderen Bereichen der Gesellschaft längst Usus und keiner sieht mehr wirklich hin – oder doch? Sonst würde es sich für die Unternehmen ja wohl kaum lohnen?
Für einen Moment sah ich uns bei einer Drogenfachtagung versammelt und über dem Podium prangt mit großen durstigen Buchstaben: gesponsert von Warsteiner…
Immerhin mein Lieblingsbier. Würde mich das trösten?
Ich bin nicht optimistisch, dass die Mehrheit unserer Kollegen dieses Angebot ausschlagen wird. Vermutlich werden die meisten mit Blick auf die moderne Zeit und ihre Anforderungen nichts weiter dabei finden …
Vielleicht erleben wir den Tag, wo die Studierenden gespannt darauf warten, welches Werbe-T-Shirt ihre Proffesorin heute im Seminar trägt?

Ich bin in einer Zeit des Kapitalismus aufgewachsen, wo Werbung noch etwas war, was man möglichst aus seinem privaten und öffentlichen Leben heraus hielt. Kleidungsstücke, auf denen irgendwelche Werbeschriftzüge standen, hätten den Träger als bitter arm (so bedürftig, dass er eben tragen muss, was er geschenkt kriegt) oder verrückt angesehen.
Man sprach von Schleichwerbung, wenn jemand verbotener Weise Werbung in sein Medienprodukt einbaute. Werbung war für mich immer ein eher belächeltes Phänomen. Es gab werbungsfreie gesellschaftliche Räume: lange den Rundfunkt und auch das Fernsehprogramm mindestens außerhalb expliziter Werbezeiten, die man einfach meiden konnte, wenn man wollte. Dann folgte die ständige Unterbrechung von Spielfilmen durch Werbung. Irgendwann wunderte man sich nicht mehr, dass einem die Wettervorhersage von irgendeinem Unternehmen für Unterwäsche offeriert wurde. Irgendwann musste ich nach einschalten der Glotze erst einmal herausfinden, ob da gerade Werbung lief oder eine Sendung, weil sie anfingen, sich zu ähneln. Die Werbung nimmt zunehmend den Charakter einer Doppelrealität an. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Menschen und ihre Lebenswelt inzwischen funktionalisiert worden sind für einen einzigen großen Werbefilm.
Die Wissenschaft und der Bildungsbereich waren immer werbefreie Räume. Die Freiheit der Wissenschaft war ein Wert. Heute ist diese Freiheit eher ein Synonym für die Öffnung von Begehrlichkeiten und Einflusswuünschen der Wirtschaft, die sie als eine Institution sehen, die ihr zu dienen hat.

Kreuze und Kopftücher werden aus dem Bildungsräumen verbannt mit dem Hinweis auf die in unserer Gesellschaft geltende Trennung von Kirche und Staat.
Wie wäre es mal mit einer Trennung von Wirtschaft und Staat?

 

 

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Eine Antwort zu Gesponserte Bildung – gekaufte Wissenschaft

  1. kranich05 sagt:

    Reklame und im weiteren Sinne Lobbyarbeit aller Art gehören zum Kapitalismus wie das Amen zur Kirche, kann man also im Kapitalismus nicht abschaffen.
    Wir heute freilich haben den NEOLIBERALEN Kapit., den der ALLES, der JEDES Gut privatisieren will. Dagegen ist schwer etwas zu machen, denn es ist erklärte Politik der Machthaber.
    Aber natürlich ist Widerstand möglich. Und notwendig.
    Aber wie?
    Ich würde mehr wissen wollen über die interessierten Unternehmen (also Recherchieren im Internet, eventuell Abfrage Datei Schimmelpfeng (kostenpflichtig), Gewerkschaft fragen)
    Wem gehören sie? (Was macht dieser Eigentümer sonst noch?)
    Wo ist das Unternehmen sonst noch aktiv?
    Wie ist die Lage der Arbeiter in diesem Unternehmen?
    Was produzieret/leistet dieses Unternehmen?
    Wen/Was sponsert dies Unternehmen sonst noch?
    Warum wollen sie Euch sponsern?

    Wenn Ihr das alles wißt , könntet Ihr Euch auf dieser Basis entscheiden; Vorteile und Nachteile abwägen.
    Eure Informationen/Überlegungen Euren Studenten zur Verfügung stellen. (Bei den Lehrveranstaltungen könnte immer ein entsprechender Flyer ausliegen.)
    Eure Informationen/Überlegungen im Internet zur Diskussion stellen.
    Vieles ist möglich.

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