Immer wieder umwerfend: „Wir können auch anders“

Es gibt ja Leute, die können einen Film nur einmal sehen. Ich bin der Meinung, dass sich ein Film, ein guter, wie gute Musik erst beim wiederholten Wahrnehmen wirklich ganz offenbart.

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Diesen Film habe ich heute abend das 5. Mal gesehen. Beim letzten Mal habe ich herrlich lachen müssen. Heute was es eher ein Schmunzeln.

Der Buck Film, der 1993 den Deutschen Filmpreis bekam, ist einfach wundervoll:
Die beiden etwas minderbemittelte aber sehr ungleiche Brüder Rudi und Moritz aus Münster in Westfalen (ausgerechnet!), haben in der eben erst „befreiten“ DDR, genauer an der Ostsee bei Schwerin, ein Gut geerbt. So glauben sie jedenfalls und treten mit einem uralten LKW, der Spitze 80 kmh fährt, die Reise durch das weite Land an. Ein desertierter russischer Soldat erzwingt, dass sie ihn mitnehmen. Es dauert nicht sehr lange, da sind die Drei ein eingeschworenes Trio. Rudi gibt ihm viel Geld, damit er seine Uniform loswerden und sich schick einkleiden kann. Und Viktor repariert den Motor des Wagens, verbreitet mit seinen Liedern gute Laune und seine Kalashnikow leistet gute Dienste. Die Direktheit und Unverstelltheit des Bruders Rudi, der zwar geistig etwas anders tickt als wir, der aber sensibler, in gewisser Weise sogar gebildeter und vor allem unvoreingenommener ist als alle anderen Menschen, die ihm begegnen, erwirkt unter den Dreien eine einfache und verblüfend menschlich Atmosphäre.
Rudis unerschütterbares, geradezu instinktives Bemühen um Gerechtigkeit und Solidarität macht ihn aber gleichzeitig auch zu einem Mann, der sich nichts bieten lässt und der tut, was zu tun ist, auch wenn er daraufhin polizeilich gesucht wird. Denn bei alle dem ziehen die drei sehr bald eine Spur von Verbrechen hinter sich her, Verbrechen, die sie alle quasi aus Versehen, im Vorbeigehen und ohne es zu wollen, begangen haben. Und obwohl sie am Ende einem riesigen Polizeiaufgebot gegenüberstehen, schlagen sie allen ein Schnippchen und landen tatsächlich irgendwo in Russland.

Das alles spielt in der traumhaften Landschaft zwischen Seen, schmalen, alten Alleen, weiten grünen Wiesen und schließlich der Ostsee, ein Roadmovie also.
Die Western-Anleihen und Zitate Bucks sind amüsant und machen den Film tatsächlich zu einem erfrischenden Eastern.

Auf ihrer Fahrt durch Brandenburg und Mecklenburg wenige Jahre nach der Wende gibt es dann kein Klischee, das Buck nicht zitiert:
die rechten Banden im Osten, die öden Kneipen, die grauen Häuserzeilen, der neue Nepp, das um sich greifende profitgierige Kleinunternehmertum, der arrogante Westkommissar, die Immobilienansprüche der Wessis, der singende und immer lächelnde aber scharf schießende Russe und die schöne, rothaarige Frau, die ihn sieht und ihm – fast ohne zu zögern – in seine russische Heimat folgt.

Aber an keiner Stelle wird der Film zum Klischee oder zum Kalauer. Denn diese ganze chaotische Welt und die Menschen darin, die alle versuchen, sich das Beste davon abzuschneiden, wird mit den arglosen aber wachen Augen des geistig behinderten Bruders beobachtet und so hat der Film keine Chance vor seiner unwiderstehlichen Gutgläubigkeit und Geradheit, in oberflächlichen Witz oder in Platitüden zu versinken.

Mich erinnert der Film nicht nur an das amerikanische Märchen, den Western. Es gibt alte Volksmärchen, die davon erzählen, dass der für dumm gehaltene und von allen verlachte am Ende der Klügere und auch der Schlauere ist. So ein Märchen ist dieser Film auch. Ein lustiges Märchen dazu.

Unvergeßlich die Szenen,
– wo der im Heim bisher für die Schweinezucht zuständige Bruder die Schweine aus einem Transporter befreit, weil sie am verdursten sind,
– wo die rechten Gängster vor der unerschütterten und entschlossenen Haltung der Drei mit ihrem Auto aus Angst rückwärtz in einen See fahren,
– wo sich der arglose, Tiere liebende Bruder zu einem Hund hinunterbeugt, der mit Maulkorb dasitzt und auf die liebevolle Anrede „Du bist aber ein Feiner!“, blitzartig seine Ohren hochschnellt und böse knurrt,
– wo in der Kneipe derFernseher die Suchmeldung nach den gemeingefährlichen drei Helden durchgibt und ein paar Schlägertypen daraufhin hastig das Lokal verlassen und ihr an den Stuhl gebundener Schäferhund, eben der, geduckt und mit dem Stuhl am Bein hinter ihnen her hastet,
– unvergesslich die ganze Szene der Geiselnahme, bei der sich die beiden Dorfpolizisten aus Angst vor Schüssen hinter ihrem Wagen verstecken während der voll trunkene Kneipengast, der alles mitangesehen hat, daneben steht und das ganze kommentiert wie einen Samstagabend Krimi…..

Ich würde den Film auch ein 6. Mal sehen!


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3 Antworten zu Immer wieder umwerfend: „Wir können auch anders“

  1. Mrs. Tapir sagt:

    Hallo liebe Eule, den Titel des Films mit dem Rasenmäher suche ich seit einigen Jahren. Er hat mir ausnehmend gut gefallen!
    Auf die Western-Idee wäre ich selber auch nicht gekommen. Aber ich fand sie gar nicht daneben. Wobei ich bei Western nicht an Revolverhelden denke, sondern an viele auch zum Teil ziemlich leise Film mit Poesie, das ganze allerdings immer im Rahmen des Western-Genres. Als ich jung war war ich eine begeisterte Cineastin. Damals haben mir meine Freunde, die größtenteils Publizistik studierten einen feineren Blick für Western und für gute Western beigebracht. Heute bekomme ich die Titel und Regisseure meiner Lieblingswestern nicht mehr auf die Reihe, schade, müsste mich mal wieder damit befassen!

  2. eule70 sagt:

    (Gestern wurde mein Kommentar nicht angenommen, jetzt probiere ich es noch mal:)
    Ich habe den Film neulich zum ersten Mal gesehen, und er hat mir auch sehr gefallen. Dieses ganz Leise, Leichte.
    Aber an Westerns, die mit den Revolverhelden, erinnert er mich überhaupt nicht. Eher an den amerikanischen Film (Titel vergessen) mit dem alten Mann, der mit dem Rasenmäher weit reist, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen; der hatte auch dieses Leise.

  3. kranich05 sagt:

    Ich krieg Lust, ihn zum dritten Mal zu sehen.

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