Meine Jüngste macht derzeit seit 5 Monaten Erfahrungen als Aupair in Irland.
Hier war die Welt noch in Ordnung; G. bei ihrem Segelschiffpraktikum im Sommer
Nach allem was ich so höre von ihr, scheint sich meine alte Meinung zu dieser Form von Auslandserfahrungen zu bestätigen: Vom Prinzip her stehen sich hier zwei Erwartungen gegenüber, die letztlich kaum vereinbar sind. Es kann eigentlich gar nicht wirklich klappen.
Aber G. wollte es unbedingt. Und sie wirds auch überleben, denke ich. Aber es ist nicht das, was sie sich erhofft hatte, bei Weitem nicht.
Dabei gab es in unserer Familie doch einschlägige Erfahrungen mit dem Aupair-Konzept.
* Schon meine Schwägerin ließ sich vor 40 Jahren von ihrem Bruder anrufen und mit der erlogenen Hiobsbotschaft beglücken: die Mutter sei schwer krank und sie solle sofort nach Hause kommen – denn sie hielt es nicht mehr aus.
* Und vor gut 15 Jahren eröffnete mir unser Warschauer-Aupair-Mädchen auf dem Weg zum Kindergarten, wo sie in Zukunft unsere Jüngstee jeden Tag abholen sollte: „Eigentlich hasse ich kleine Kinder!“
Mir blieb schier die Luft weg. Trotzdem hat sie später unserer Jüngsten beigebracht, Löwen zu zeichnen und hat ihr polnische Lieder beigebracht. Aber sie blieb unglücklich und schließlich trennten wir uns in gegenseitigem Einvernehmen vor der Zeit.
Trotzdem konnte meine Jüngste es also nicht lassen: Sie wollte nach dem Abitur unbedingt nach Irland. Die Aupair-Agenturen warben und es gab im Internet Jubelberichte ehemaliger Aupairs zu lesen, die meiner Tochter reizvoll schienen. Die Agentur verlangt von den Bewerberinnen vorher Nachweise über Kinderbetreuungen, was ich eigentlich sehr sinnvoll fand. G. legte los und machte diese geforderten Erfahrungen. Für mich war damals schon abzusehen, dass Beschäftigung mit Kindern nicht gerade ihre Stärke ist und ihr Interesse trifft. Sie wollte unbedingt nach Irland, ihr Englisch aufbessern, Auslandserfahrungen machen ….
Die Küste bei Dublin
O.k.
Nun sitzt sie seit 5 Monaten in einem langweiligen, bürgerlichen Vorort von Dublin und friert. Die grüne Insel ist seit Monaten nur naß-kalt, windig und die Iren scheinen ihre Wohnungen viel weniger zu heizen, als wir es in Deutschland gewohnt sind. Die Familie sagt, sie sei die „Aufpasserin“ der 8jährigen Tochter, sie putzt jeden Morgen die Küche, die die Frau des Hauses nach ihrer abendlichen Kochschlacht ziemlich putzbedürftig zurückgelassen hat usf. Klingt eigentlich ganz nett und harmlos.
Das kleine, verwöhnte Mädchen versichert einmal in der Woche, G. sei bisher ihre allerliebste Aufpasserin. Die Mutter ist eine gestresste Frau, die viel verspricht aber nicht mal die Hälfte davon einlöst. Sie behandelt meine Tochter wie ein Dienstmädchen und kann gleich darauf zuckersüß sein und ihr jede Unterstützung zusagen. Aber es ist kein Verlass darauf. eine Tochter fühlt sich eingesperrt. Sie kann nichts unternehmen, weil sie ständig in Bereitschaft sein muss und weil sie sich in der Wohnung, die sie täglich sauberhält wie eine Fremde vorkommt. Sie kann sich nie wirklich zurückziehen. Sie nimmt an den Mahlzeiten teil, aber sie hat letztlich keinerlei Familienanschluss. Die Familie unternimmt nichts gemeinsam, an dem sie dabei sein kann. Die Familie zeigt null Interesse daran, wer G. ist, was sie interessiert, was sie z.B. an Irland interessiert. .
Und da Irland wohl richtig teuer ist, ist an Aussteigen, irgendwoanders Arbeiten und vom eigenem Geld Leben und in einem eigenen Zimmer Wohnen nicht zu denken. Also bleibt sie, beißt die Zähne zusammen und lernt für ihren Englischkurs.
Es ist das alte Lied, der Grundwebfehler im Aupair-Konzept:
Die jungen Leute suchen eine Möglichkeit, sich einige Zeit kostengünstig im Ausland aufzuhalten, dort Erfahrungen zu sammeln, Leute kennen zu lernen , im Hintergrund eine Familie, die ihnen den Aufenthalt und das Hineinwachsen vielleicht erleichtert und sie nicht ganz alleine dastehen lässt….
Die Familien suchen ein billiges Dienst- und/oder Kindermädchen, keine erwachsene Tochter, keinen Gast.
Ich kann es den Familien nicht verübeln. Es ging uns ja selber so. Man ist froh, entlastet zu werden. Die Aupairs sind erwachsen. Das, so glaubt man, entlaste einen auch von sowas wie Fürsorgepflicht.
Sicher gibt es auch Aupairs, die es besser treffen und Familien, die mehr Zeit, Energie und Zuwendung auf ihre billige Dienstmagd verwenden und sie vielleicht auch als das begreifen, was sie sind: junge Menschen, die etwas erleben und dabei nicht ganz und gar alleine gelassen sein wollen. Aber vom Prinzip her stehen sich hier zwei Erwartungen gegenüber, die letztlich kaum vereinbar sind. Es kann eigentlich gar nicht wirklich klappen.