Wie es so ist:
Erst wenn man es selber erlebt oder wenn es Menschen in nächster Nähe betrifft, wird man richtig wach.
Vorgestern wurde der Exfreund der Freundin meiner Tochter im Bus von 5 Neonazis provoziert, als schwul beschimpft und anschließend zusammengeschlagen. Keiner der im Bus Anwesenden griff ein. „Bei 5 Typen“, sagt meine Tochter, „was soll man denn da machen?“ Sie verbreiten Angst.
Der jungen Mann konnte noch zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Mal sehen, ob die Polizei, unser Freund und Helfer sein Anliegen ernst nimmt …
Ich denke weniger, dass es für jeden möglich wäre, sich in solchen Situationen direkt einzumischen. Ich denke: Es ist die duldende Atmosphäre in unserer Bevölkerung, die diese Leute ermutigt, ihr aggressives Verhalten in aller Öffentlichkeit vorzuführen und ihr Rassen feindliches und Menschen verachtendes Denken zu entwickeln, ohne dabei auf eine für sie ernst zunehmende gesellschaftliche Grenze zu stoßen. Sie wissen, dass sie Sympathiesanten haben. Wie viele im Bus z.B. werden nicht ganz insgeheim gedacht haben: „Na ja, irgendwo haben sie ja Recht: Schwule sollten hier nicht im öffentlichen Bus mitfahren können und nehmen mir sitzen dürfen.“ Ich wage keine Einschätzung, aber ich bin sicher, dass es mehr Menschen gibt – und keineswegs nur jungen Menschen! – , die ihre braunen Gedanken und Einstellungen fröhlich frei herauslassen würden, wenn die gesellschaftliche Ächtung noch ein wenig mehr abnehmen würde, als es schon jetzt der Fall ist.