vergänglichkeit der schönheit
Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand
Dir endlich mit der zeit um deine brüste streichen /
Der liebliche corall der lippen wird verbleichen;
Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand /
Der augen süsser blitz/ die kräffte deiner hand /
Für welchen solches fällt / die werden zeitlich weichen /
Das haar / das itzund kan des goldes glantz erreichen /
Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band.
Christian Hofmann von Hofmanswaldau (1616-79)
Die Schönheit ist die Potenz der Frau.
Um sie wird ein furchtbares Gewese gemacht, auch und gerade von uns selbst. Um ihr langsames Verschwinden noch mehr. Irgendwann fängt frau an, jünger aussehen zu wollen. Attraktivität wird anstrengend, wird zum ständigen Leistungsprogramm. Erfolge sind heute freilich viele Jahre noch durch Mühe und Aufwand möglich. Es gibt Zeiten, wo frau sich sogar attraktiver findet als in jungen Jahren, reifer, ausdrucksvoller, erfahrener, wo sie lacht über die glatten, schönen aber puppenhaften Gesichter der Jugend.
Später geht dann der Kampf darum los, doch wenigstens noch so auszusehen wie vor drei Jahren. Auch den kann man gewinnen. Nur sind es jedes Jahre andere drei Jahre. Irgendwann muss sie es sich eingestehen: Sie wird von den wenigsten Männern überhaupt noch zur Kenntnis genommen, von älteren vielleicht, von solchen, die 10 Jahre älter sind als sie. Die Gleichaltrigen würden sich nie mit so alten Weibern abgeben.
Der Blick in den Spiegel zeigt untrüglich eine ältere Frau. Der Hals und die Hände können am schlechtesten lügen. Auch die Haut, mit 50 vielleicht noch erstaunlich glatt für dieses Alter, nimmt sich dann eben mit 60 ihr Recht darauf, zu zeigen, dass sie längst nicht mehr im Dienst ist, im Dienst der gegenseitigen Geschlechteranziehung, der Verpflichtung zur Attraktivität.
Das Auge der Liebe kann all das dennoch mit Freude sehen, kann sehen, was war und das mögen, was ist. Das ist schön und ein Geschenk. Aber ansonsten ist sie so gut wie ausgeschieden aus dem ewigen Reigen. Warum eigentlich auch nicht?
Ich weiß, dass ich nie zu den alten Damen gehören werde, von denen man sagt, dass man noch sieht, dass sie einmal schön waren, auch nicht zu denen, die eine vitale und charmante Ausstrahlung haben. Ich war in meinem Leben viel zu viel traurig, viel zu oft sauer, viel zu sehr enttäuscht. Und nicht die glücklichen Momente finde ich eingegraben in meinen Zügen sondern die anderen. Warum gucken Sie immer so böse?, werde ich manchmal gefragt. Ich stelle fest: ich sehe einfach jetzt so aus. Ich bemühe mich zu lächeln, damit man nicht denkt, dass ich böse sei. Aber immer geht das nicht.
Noch vor drei, vier Jahren bin ich jedesmal zusammengezuckt, wenn ich mein Gesicht im Spiegel neben dem meiner Tochter gesehen habe. Diese Glätte, diese ungetrübte Schönheit, dieser Lockruf an das Leben! Und ich daneben, müde, ernst, geschafft, mit unerwünschten Falten um den Mund!
Wenn ich mein Gesicht heute im Schaufenster sehe, schaue ich jetzt manchmal sogar neugierig hin, statt vor meinem Anblick zu erschrecken. So also ist das, alt zu werden.
Dass ich für Männer unter 55 unsichtbar zu sein scheine, empfinde ich nicht mehr verletzend, sondern beinahe angenehm. Ich muss mich nicht mehr anstrengen, ihnen zu gefallen. Ich muss mich nicht mehr vergleichen mit anderen Frauen, mit attraktiven Frauen, schon gar nicht mit jungen Frauen. Ich versuche möglichst frisch und jung zu sein und zwar für mich selber. Ich versuche es, um meiner Freude am Leben Ausdruck zu verleihen und vielleicht für den, der noch sieht, das ich eine Frau bin.
Die Frage, wie ich aussehe, interessiert mich inzwischen weniger als die Frage, wie die Welt um mich herum aussieht. Ich bin dankbar, dass meine Augen die Welt noch sehen können, dass ich den Wind noch spüren kann, dass ich noch Musik hören und mit meiner Blockflöte himmlische Klänge erzeugen kann, die so jung klingen, als würde eine 15 Jährige sie erzeugen.
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