Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten

Den folgenden Text habe ich 2017 geschrieben, finde ihn heute bei den Entwürfen.

Er ist noch immer völlig aktuell.
Aber es hat sich inzwischen viel getan, viel verändert, verschärft.

Noch immer kann ich nicht schweigen.

Ich schreibe Romane und versuche dort, etwas zu sagen zu dem, was in unserer Welt los ist. Aber wer liest schon Romane? Ich denke an Berthold Brecht, der schrieb:

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

Ein Dinosaurier zur Lage

Ich habe inzwischen70 Jahre in dieser Welt gelebt.
Es war nicht einfach. Aber es gab eine Zeit, da war es anders als heute und besser. Wenn auch genauso kapitalistisch. Aber das Raubtier war sozusagen noch im Käfig, so schien es uns. Heute ist das Leben immer schwerer und komplizierter geworden. Obwohl so viele sagen, dass es uns nie besser ging.
Ich staune, wie locker aber ahnungslos die Jungen meinen, damit zurecht zu kommen. Für Kritik haben sie keine Zeit, denn das Leben reißt sie voran und sie sehen für sich eine Zukunft. Einige zumindest. Aber ich weiß: sie wissen nicht, dass es anders sein könnte. Und sie wissen nicht, was noch passieren kann.
Ich bin mir darüber im Klaren, dass nur ganz wenige meine Gedanken teilen werden. Ich habe schon so oft erfahren, dass selbst die, die verstehen, was ich meine, wehmütig die Schultern zucken und ihr Gefängnis leugnen, die Zäune ringsum nicht mehr sehen können und am Ende diese unsere Welt für die einzig mögliche und dazu auch noch heilbringende Welt halten.

Oh ja, ich bin ein Dinosaurier aus den 68er Jahren. Meine Gegner und meine Freunde haben dieses Wort in den letzten Jahren ständig zu mir gesagt. Sie wollten mich kaltstellen oder mir  zu verstehen geben, dass ich besser nicht mehr mitrede.

Und auch ich hätte eigentlich keinen Grund zu klagen: Es geht mir gut. Oder etwa nicht? Schließlich lebe ich in dem Teil dieser Welt, wo es einem bestens geht, auch wenn die meisten Menschen auf diesem Planeten hungern, in menschenunwürdigen Verhältnissen aushalten müssen, von Kriegen und von Katastrophen bedroht sind.
Wir alle sind Spielball derer geworden sind, die versuchen, mit ihrem Geld und ihrer Macht unsere Welt Schritt für Schritt im eigenen Machtinteresse global und neoliberal vor die Wand zu fahren. Aber bei uns wird das totgeschwiegen. Es geht uns gut.

Ich könnte ab jetzt einfach zu alle dem schweigen. Ausgestiegen bin ich schon. Ich könnte die letzten Jahre einfach grinsend oder auch traurig  tatenlos zuschauen. Ich dürfte es mir durchaus gut gehen lassen.
Aber so vieles möchte ich noch sagen und so vieles beklagen. Und ich möchte erzählen, warum es sich dennoch gelohnt hat.
Und vielleicht kann ich auch Hinweise geben, wie eine bessere Welt aussehen müsste, und wie sie erreichbar ist. Und was diese Welt retten könnte.
Ich habe mich also entschlossen, nicht zu schweigen.
Nennen wir mein Motiv für diesen Blog: Solidarität mit der menschlichen Gesellschaft.

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