„atmendes Unternehmen“

Als ich diesen Begriff am Radio hörte, glaubte ich an eine spontane Wortschöpfung. Der Mensch, der diesen Begriff – übrigens für den VW-Konzern benutzte – schien sich aufrichtig darüber zu freuen, dass das Unternehmen, von dem er sprach atmete….

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Ich erschrecke und bin gleichzeitig fast verwundert, dass hier eine wirtschaftliche, ökonomische Konstellation als etwas lebendiges, lebendes erscheint, etwas, das um sein Überleben kämpfen muss und dessen Lebenskraft wir anderen, offenbar weit weniger wichtigen Lebenwesen bloß nicht beeinträchtigen dürfen.
Ich sehe es vor mir: das Unternehmen, es atmet, es atmet ein und aus, es lebt, es bekommt Luft, es ist lebendig…. Ein benaue rührendes, dem Leben zugewandtes Bild, eine Metapher vom Leben sozusagen.
Denn wir sind ja abhängig vom Überleben und von der Sattheit dieses Monsters. Wenn es ihm gut geht, und wenn es auch schön Luft kriegt und gut aus und einatmen kann, dann fallen dabei vielleicht auch für uns ein paar Arbeitsplätze ab. Daran müssen wir einfach glauben.

Ein Blick in Google belehrt mich, dass dieser Begriff keineswegs ein spontan erfundenes Bild war, sondern durchaus gebräuchlich ist für Unternehmen, die ausatmen, ihre Mitarbeiter weniger arbeiten lassen, weil sie zur Zeit weniger Aufträge haben und weniger Profit machen, und die einatmenen, die Menschen wieder voll in Arbeit schicken, wenn es etwas zu tun gibt. Das ist die absolute Effizienz, das ermöglicht diesem Wesen Unternehmen ein seinem stets größer werdendem Hunger angemessenes Leben.

Wenig später muss ich mir im Radio anhören, wie ein Wissenschaftler aus Gelsenkirchen Freude zeigt über die europäische Entscheidung, die es nun Porsche ermöglicht, bei VW mal richtig aufzuräumen, diesem Konzern sozusagen zu noch besserem Durchatmen zu verhelfen. Diese Entscheidung sei auch im Interesse der Mitarbeiter, flötet er entzückt. Ich horche irritiert auf. Der Journalist fragt auch sofort nach: „Die Kollegen werden sich bestimmt nicht freuen, wenn sie z.B. jetzt auf die Straße gesetzt werden, oder?“
Natürlich, das kann der Herr Wissenschaftler auch verstehen. Aber es geht um die Zukunft. Ein gesundes Unternehmen ist bekanntlich die beste Garatie für mehr Arbeitsplätze und überhaupt dafür, dass es uns allen besser geht und so weiter….

Dem Kollegen, der jetzt nach Hause gehen darf, dem fehlt einfach die Weitsicht, ja dem fehlt die Solidarität mit seinen Kollegen, den zukünftigen. Klar, so ist es nun mal: Es muss einfach atmen und wir alle sind dafür verantwortlich. Und wenn es atmet können wir selber aufatmen…

Ich hatte an dieser Stelle plötzlich einen penetranten Tagtraum: King Kong…..( tut mir Leid, alter Junge, dass du mir für so was herhalten mußt!)

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Vor der riesigen Mauer und dem hohen, verrammelten Tor liegt auf dem Opferaltar die weißgekleidete Jungfrau, die der Eingeborenenstamm in diesem Jahr King Kong zum Opfer bringt. Mit diesem jährlichen Opfer, so hofft der Stamm seit Jahrhunderten, ist die Wut und Raserei von King Kong, dem atmenden und gefräßigen Riesen in Schach zu halten. Wenn er dieses Opfer bekommt, so wird er vielleicht all die anderen leben lassen. Der Jungfrau, sofern sie es auch nur wagt, sich über ihr Schicksal zu beklagen, wird man vorhalten, dass sie das nicht so eng sehen darf. Schließlich rettet sie mit ihrem Leben das Leben und das Glück all der anderen, des ganzen Stammes, vielleicht jedenfalls.
Der Stamm lebt also dort auf seiner blühenden Insel weiter in ewiger Angst und bringt brav und tapfer seine Opfer. Solange Kong satt ist und immer mehr zu fressen bekommt, wird es uns auch irgendwie gut gehen, sagen die Leute. Wehe Kong bekommt keine Luft mehr und nicht genug zu fressen! Das wäre auch unser aller Untergang.

Also , es atmet. Wie schön.

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